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Warum uns das Weltuntergangsgerede in Sachen Klimawandel nicht weiterbringt

By December 27th, 2018No Comments

Wenn man davon hört, ist der Tenor schnell klar: Apokalypse, Desaster, Weltuntergang. Eigentlich haben wir gar keine Chance, den Klimawandel aufzuhalten und die Menschheit vor der größten Katastrophe überhaupt zu bewahren. Doch genau hier liegt das Problem: Solange wir es nicht schaffen, diese Herausforderung als Chance zu sehen und Hoffnung anstelle von Verzweiflung treten zu lassen, so lange wird sich auch nicht wirklich etwas ändern. Ein Plädoyer für mehr Zukunftsoptimismus im Kampf gegen den Klimawandel.

buzz-andersen-145254 via unsplash.com

Seit gut einem Monat läuft der neueste Naturkatastrophenfilm in den Kinos. Geostorm lädt den Untergangsszenario-liebenden Kinobesucher dieser Tage dazu ein, die selbstverschuldete Katastrophe der Menschheit auf zehn Meter Leinwand zu erleben – durch Innenstädte fließendes vulkanisches Magma und Hochhäuser wie Sandburgen unter sich begrabende Monsunregenfälle inklusive. So unglaublich dieser Film im ersten Moment auch erscheinen mag, so schnell kann man Parallelen zu der diesjährigen Serie von Extremwetterereignissen auf der ganzen Welt ziehen. Das Ausmaß der Hollywood-Produktion mag zwar noch ein Anderes sein, die grundlegende Entwicklungsrichtung aber scheint die gleiche.

Das Jahr 2017 ist auf dem besten Weg, eines der seit Beginn der Wetteraufzeichnungen heißesten je gemessenen Jahre auf unserer Erde zu werden. Nur 2016 sei wärmer gewesen, so aktuelle Berechnungen der Weltwetterorganisation (WMO). Auch waren wir im laufenden Jahr wieder Zeugen unzähliger Extremwetterereignisse: Hurricanes in den USA und Puerto Rico, Hitzewellen in Europa, Dürren in Ostafrika, Rekordniederschläge in Neuseeland und sogar Waldbrände in Grönland. Ja, in Grönland – die Eisinsel im Nordpolarmeer! Im Vergleich zu beispielsweise Sizilien im Mittelmeer, wo – fast kaum überraschend – Touristen noch im Juli vor den Flammen der dortigen Waldbrände flüchten mussten, sind derartige Phänomene in einer Permafrostlandschaft eigentlich undenkbar und eine absolute Seltenheit. Noch. Denn Fachleute sagen auch hier eine Klimawandel bedingte drastische Zunahme der Anzahl und Ausmaße von Buschbränden nördlich des Polarkreises voraus.

Die Auswirkungen des Klimawandels ziehen weltweit massive ökologische und gesellschaftliche Konsequenzen nach sich, wie u.a. im Hinblick auf unsere Gesundeit durch die Zunahme von Hitzewellen, die Landwirtschaft und damit unsere Ernährung durch Verschiebung von Vegetationsperioden und die Zunahme globaler Migrationsbewegungen durch Vernichtung von Lebensräumen. Klar ist, dass diese Folgen letztlich von uns provoziert sind. Klimaforscher stellen immer wieder fest, dass mit mehr als 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit menschliche Aktivitäten die Hauptursache der globalen Erderwärmung sind.

Die Tatsache, dass lange noch nicht jeder an diese wissenschaftlichen Erkenntnisse glaubt oder sein Verhalten dementsprechend ändert, gibt Grund zur Sorge. Und gibt außerdem Grund zur Annahme, dass unsere derzeitgen Klimaschutzbemühungen und damit einhergende Kommunikation schlussendlich noch nicht überzeugend genug sind. Was ist, wenn die Art und Weise, wie wir über den Klimawandel berichten, Schuld an diesem Problem ist? Was ist, wenn der öffentliche Diskurs und Botschaften in den Medien geprägt von Extremszenarien nur dazu beitragen, dass die Klimawissenschaft nicht gehört und teilweise sogar vermeintlich ad absurdum geführt wird?

Fakt ist: Ein Großteil des Diskurses über den Klimawandel erinnert eher an ein unvermeidliches Todesurteil, als an eine tatsächliche Diskussion über Lösungsvorschläge. Laut einer Studie der Universität in Washington framen 80 Prozent der Medienberichte und gar 90 Prozent der Reports des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) das Thema mit Begriffen wie „Desaster“ und „Katastrophe“. Einige der jüngsten Kommunikationen gingen sogar so weit und stellten ein Ende der Menschheit in nicht einmal zehn Jahren in Aussicht. Bei dem weltbekannten theoretischen Physiker Stephen Hawking sind es immerhin noch 100 Jahre, doch auch er hat seine Prognose innerhalb von nur einem Jahr um den Faktor 10 reduziert. Smith Broecker, einer der führenden Geowissenschaftler weltweit, prägte nicht nur den Begriff „Erderwärmung“, sondern spricht auch von dem Planeten als „wütender Bestie“, welche wir mit Stöcken pieksen.

Klar ist jedoch auch: Diese Kommunikationstaktik ist höchst ineffektiv. Jahrzehntelange Psychologie-Forschung lehrt uns, dass der Mensch in der Regel extrem schlecht darin ist, zukünftige negative Konsequenzen seines gegenwärtigen Handelns realistisch einzuschätzen. Unser Gehirn ist derart verschaltet, dass es alles Schlimme, Schmerzhafte und Quälende lieber irgendwie ignoriert, ausblendet und verdrängt. Auch funktioniert es deshalb schlichtweg nicht, wenn Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel vor allem mit einer Einschränkung oder negativ wahrgenommenen Anpassungen des eigenen Lebensstils einhergehen sollen.

Auch sind die Folgen des globalen Klimawandels für zu viele Menschen noch in allzu weiter Ferne, als dass sie sich zum unmittelbaren Handeln gezwungen fühlten. Zwar ist unser Gehirn eine wunderbar konstruierte „Geh-aus-dem-Weg-Maschine“, die uns seit Abermillionen Jahren vor unmittelbaren Gefahren schützt und uns so bspw. vor dem heraneilenden Säbelzahntiger wegrennen lässt. Doch der Umgang mit Gefahren, die sich scheinbar unmerklich bzw. graduell aufbauen und in einer entfernteren Zukunft liegen, befindet sich gefühlt noch in einem Beta-Test.

Forscher typologisieren die deutsche Bevölkerung in ihrer Einstellung zum Klimawandel in fünf Teilöffentlichkeiten. Die Gruppe der „Vorsichtigen” bestehend aus jenen, die zwar besorgt sind, aber ihren Lebensstil (noch) nicht geändert haben, stellt mit knapp einem Drittel den größten Anteil dar. Die zumindest politische Unterstützung lassen die „Unbeteiligten” daneben komplett vermissen, und die „Zweifelnden” bestreiten gänzlich den Klimawandel und die Hauptverantwortung des Menschen.

„Würde der Klimawandel durch Sex zwischen Homosexuellen oder das Essen von Jungkatzen verursacht, würden Millionen Demonstranten auf die Straße gehen.“

Daniel Gilbert, Glücksforscher 

„Würde der Klimawandel durch Sex zwischen Homosexuellen oder das Essen von Jungkatzen verursacht, würden Millionen Demonstranten auf die Straße gehen.“, sagte einst der Glücksforscher Daniel Gilbert und spricht damit einen zentralen Grund an, warum wir bei der Konfrontation mit globaler Erderwärmung nicht direkt in den Alarmzustand versetzt werden: Der Klimawandel verletzt nicht unsere moralischen Empfindlichkeiten. Und unsere moralischen Emotionen sind schließlich der wesentliche Aufruf des Gehirns zum Handeln.

Wir müssen die Diskussionen über den Klimawandel neu ausrichten zu zuerst die Möglichkeiten für Veränderungen bei gleichzeitig ökologischem und gesellschaftlichem Nutzen aufzeigen. Dabei hilft es nicht, dass wir Klimaforscher und -aktivisten beim Erleben von Skepsis und Ignoranz nur noch eindringlicher und lauter mehr Informationen über die Größe und das Ausmaß der Herausforderung liefern. Das heißt auch, dass wir eben nicht nur Fakten liefern, sondern auch Geschichten erzählen müssen. Seit Kindesbeinen erschließen wir uns die Welt in Geschichten, weshalb dies auch für die Klimawandelkommunikation ein probates Mittel darstellen kann.

Wir, die sich regelmäßig mit Klimafragen beschäftigen, sollten dabei versuchen, dramatische Appelle in hoffnungsschenkende Lösungsvorschläge umzuformulieren. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, könnte die Verwendung von optimistischeren bzw. ermutigenderen Formulierungen unsere beste Strategie dafür sein. Reframings müssen sich von den endlosen Zwistigkeiten über kleine Details der Klimaforschungserkenntnisse befreien und stattdessen Vorhersagen in verdaulicheres und einfach verständliches Material umpacken. Eine solche Strategie könnte den gesamten Dialog wiederbeleben und Skeptiker in Gleichgesinnte verwandeln.

Auch neigen Individuen dazu, eher Emotionen als Fakten zu nutzen, um Urteile zu fällen. Im Umkehrschluss heißt das, dass Warnungen über die Auswirkungen des Klimawandels bei Zurückhaltenden und Skeptikern möglicherweise nicht den erwünschten Erfolg einer Sensibilisierung des Adressaten erreichen. Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, dass die üblichen IPCC-Grafiken zu diversen Temperatur- und CO2-Emissionsszenarien, welche ja alles andere als emotional sind, seit Jahren nicht die erhoffte Durchschlagskraft haben. Die Faktenlage ist geradezu zweifellos und schnelles Handeln eigentlich hochrational, doch trotzdem herrscht immer noch viel Schweigen und eine „Ja, aber“-Attitüde.

„Wenn wir den Klimawandel als tickende Bombe denken, sehen wir ihn anders als wenn wir ihn als Fieber denken, als Glücksspiel oder als neue Apollo-Mission oder als Weltkriegsmobilisierung. In jedem Falle stellen wir uns andere Ursachen, andere Folgen – und andere Lösungen vor.“, fasste George Marshall in seinem Buch „Don’t even think about it – Why our brains are wired to ignore climate change“ das zentrale Dilemma zusammen. Und ich könnte ihm nicht mehr zustimmen.

Unsere Lebenshaltung gegenüber dem Klimawandel sollte im Zeichen eines kritischen Zukunftsoptimismus stehen. Oder besser noch: Eines Possibilismus, der das Mögliche unserer Welt in Anbetracht dieser großen Herausforderung betont. Im Unterschied zu blindem Optimismus unterscheidet er sich dadurch, dass er das Böse und Schlechte weder ausklammert, noch ignoriert. Im Gegenteil – positiver Wandel ist möglich, gerade aufgrund derartiger Probleme. Doch diese stehen eben nicht in einem eindimensionalen Zentrum und erzeugen aufgrund einer konsequenten Überbetonung eine Verstärkung von Ignoranz oder eben Angst, Furcht und Verzweiflung. Sie sind Ausgangspunkt für eine reflektierte Haltung der Verantwortung gegenüber der Welt und stellen die möglichen Lösungen in den Vordergrund. Und das Beste zum Schluss: Diese sind schon heute möglich.

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